Dasselbe Krankheitsbild, verschiedene Region, die gleiche Behandlung? Das sollte man annehmen. Doch wie häufig es bei bestimmten Erkrankungen zu einer operativen Behandlung kommt hängt in Deutschland von der Region des Patienten ab. Eine Studie der OECD und Bertelsmann Stiftung legt die unglaublichen Tatsachen offen.

Operationswut der deutschen Ärzte

In einer Langzeitstudie untersuchten die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und die Bertelsmann Stiftung länderübergreifende sowie länderspezifische Unterschiede in der medizinischen Versorgung von insgesamt 13 Ländern. Dabei fiel auf, dass in kaum einem anderen untersuchten Land, so häufig Patienten operiert werden, wie in Deutschland. Die Anzahl an durchgeführten Operationen je 1000 Einwohner liegt mit 240 deutlich über dem Durchschnitt von 155 Operationen. Dabei wird Deutschland lediglich noch Österreich mit 261 Operationen pro 1000 Einwohner übertroffen.

Auch Krankenkassen bemerken den zunehmenden Trend an Operationen. So kann die AOK bereits eine Verdoppelung der Rücken-OPs und eine Steigerung um 25% beim Einsetzen von Defibrillatoren verzeichnen. Experten äußern Kritik am wirtschaftlichen Denken der Krankenhäuser. Denn harmlosere Therapien, wie Physiotherapien, werden von Klinikärzten nur selten empfohlen, da sich damit kein Geld verdienen lässt.

Große regionale Unterschiede in Deutschland

Neben länderübergreifenden Unterschieden untersuchte die Studie seit 2007 auch regionale Gegebenheiten. Dabei wurden Statistiken aller 402 deutschen Kreise und kreisfreien Städte erstellt. Es zeigten sich große regionale Unterschiede bezüglich der Anzahl durchgeführter Operationen. So wurden im Landkreis Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) etwa 8 mal mehr Mandel-Operationen durchgeführt als in Sonneberg (Thüringen). Neben der Entfernung der Mandeln, werden die Unterschiede auch bei Blinddarmentfernungen und dem Einsetzen von Defibrillatoren deutlich. Auch hier konnten in einigen Regionen eine 8 mal höhere Wahrscheinlichkeit für die jeweilige Operation festgestellt werden als andernorts.

Betrachtet man die Häufigkeit durchgeführter Kaiserschnitt lässt sich ein großer Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland feststellen. So wird im Westen häufiger auf die kostspielige Operation zurückgegriffen. Generell zeigen sich auch jetzt noch einige Unterschiede zwischen Osten und Westen, die wohl auf den größeren Wohlstand in den westlichen Gebieten Deutschlands zurückzuführen sind.

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Die Gründer der regionalen Gesundheitsunterschiede

Doch woran liegt es nun, dass selbst in einer Industrienation wie Deutschland, noch solch auffallende Differenzen in der Gesundheitsversorgung existieren können. Die Studienleiter sehen dies nicht in medizinischen Faktoren begründet. Sie sehen fehlende nationale Leitlinien als die Schwachstelle. Obwohl natürlich ein Arzt immer den Einzelfall betrachten muss, können klare Richtlinien einen einheitlichen Weg vorgeben, der die Arbeit erleichtern kann.

Die Studie von OECD und Bertelsmann Stiftung weist zudem darauf hin, dass die gefundenen regionalen Unterschiede bereits seit geraumer Zeit bestehen. In einer früheren Studie konnten die gleichen Ergebnisse ermittelt werden. Dabei zeigt sich immer wieder eine Kluft zwischen der medizinischen Versorgung im Osten und Westen Deutschland. Einige Landkreise und kreisfreie Städte, wie Landau (Rheinland-Pfalz) oder Kitzingen (Bayern), fallen erneut mit einer hohen Operationshäufigkeit über verschiedene Erkrankungen hinweg auf.

Quelle: OECD