Man könnte meinen, das Thema Pflegenotstand zieht sich bereits seit Jahren durch die deutsche Politik- und Medienlandschaft. Bei genauerem Hinsehen sind es aber bereits mehrere Jahrzehnte, denn der Begriff stammt ursprünglich aus den 1960er und 1970er Jahren und dem sich aus dem Ausbau von Krankenhäusern und Altenpflegeheimen ergebenem massiven Personalmangel. Nachdem sich die Problematik zwischenzeitlich abgeschwächt hatte, ist der Pflegenotstand heute größer als je zuvor, die allgemeine Stimmung in der Branche ist schlecht.

Doch was genau sind die aktuellen Probleme beim Pflegepersonal und wie wird sich die Situation in den kommenden Jahren entwickeln?

Vielschichtige Ursachen einer sich verschärfenden Problematik

Die Zahlen sprechen für sich: Rund 4 Millionen Menschen in Deutschland sind auf ein Pflegebett angewiesen, etwa 1,4 Millionen Pflegekräfte stehen zur Verfügung. Dieses Ungleichgewicht hat sich in den letzten Jahren verschärft, einer immer höheren Anzahl Pflegebedürftiger steht eine immer geringer werdende Anzahl an qualifizierten Pflegekräften gegenüber. Die Ursachen für diesen Zustand, der sich laut Experten in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird, sind vielschichtig:

  • mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten
  • demografischer Wandel
  • Trend zur stationären Pflege
  • Niedrige Gehälter und schlechte Arbeitsbedingungen

Insbesondere der letzte Punkt lässt aufhorchen, denn neben gesellschaftlichen Veränderungen, sind die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte in den letzten Jahren zunehmend schlechter geworden. Der ohnehin emotional und körperlich anspruchsvolle Beruf, wird selbst für solche, die diesen eigentlich gerne ausüben, zu einer zunehmenden Belastung.

Zunehmend mehr Pflegekräfte suchen nach beruflichen Alternativen

Etwa 55 Prozent der in der Pflege beschäftigten Fachkräfte bezeichnet die Arbeitsbedingungen als schlecht, immer mehr suchen nach beruflichen Alternativen. Verschiedene Initiativen, etwa der Kummerkasten von pflegefrust-wirhelfen.de, helfen Betroffenen, eine Jobalternative zu finden, die genau zu den individuellen Talenten passen.

Was für enttäuschte und frustrierte Pflegekräfte eine positive Sache ist, verschärft den Pflegenotstand zusätzlich, die Politik scheint, trotz der lange bekannten Defizite und Schieflagen, keine Lösungen zur Verbesserung der Zustände zu haben. Die schlechte Stimmung beim Pflegepersonal, drückt sich auch in einer Umfrage aus, die vom Marktforschungsunternehmen IPSOS im Rahmen des CARE Klima-Index 2022 durchgeführt wurde. Demnach stufen 80 Prozent der Befragten den Stellenwert, den die Politik dem Thema Pflege beimisst als niedrig ein, innerhalb der Berufsgruppe Pflege sind es sogar 90 Prozent. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben zudem an, dass sie davon ausgehen, dass die Pflegeversorgung in den kommenden 10 Jahren sichergestellt werden kann.

Der politische Wille zu Veränderungen fehlt nach wie vor

In der Politik wird zwar viel geredet, aber wenig umgesetzt. Die Konzepte und Gesetze wirken teilweise hilflos, Verbesserungen durch politische Entscheidungen sind bislang Fehlanzeige. Aktueller Gesundheitsminister, Karl Lauterbach, will dem zunehmendem Ungleichgewicht zwischen Pflegebedürftigen und Pflegekräften vor allem mit einer Stärkung der häuslichen Pflege begegnen und damit insbesondere pflegende Angehörige fördern. Was prinzipiell eine gute Idee ist, ist aber angesichts der tatsächlichen Pflegekräfte, die hoch qualifiziert sind und immer weniger Anreize haben in ihrem gelernten Beruf zu arbeiten, ein Hohn.

Ob das Problem durch das beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz gelöst werden kann, darf angesichts der schlechten Stimmung des Pflegepersonals bezweifelt werden. Eine alleinige Erhöhung der Löhne ändert an den zunehmend desolater werdenden Arbeitsbedingungen nichts. Sofern passende Konzepte nicht schnellstmöglich entwickelt und umgesetzt werden, stehen der Pflegebranche und damit gleichzeitig den Pflegebedürftigen, düstere Zeiten bevor.